Branchen-News Verwaltungsgericht urteilt: NRW-Abwassergebühren waren zu hoch

Mit Gewinnen aus Abwassergebühren Haushaltslöcher stopfen? Das geht in NRW nach einem Gerichtsurteil nicht mehr.

Nach einem jahrelangen Musterprozess hat das Oberverwaltungsgericht Münster im Mai einem Kläger aus Oer-Erkenschwick Recht gegeben, der gegen das Modell der Abwasser-Gebührenkalkulation in Nordrhein-Westfalen geklagt hatte. "Der gleichzeitige Ansatz einer Abschreibung der Entwässerungsanlagen mit ihrem Wiederbeschaffungszeitwert (Preis für die Neuanschaffung einer Anlage gleicher Art und Güte) sowie einer kalkulatorischen Verzinsung des Anlagevermögens mit dem Nominalzinssatz (einschließlich Inflationsrate) ist unzulässig", erklärt das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil.

Zinssatz-Berechnung: Durchschnitt von 10 statt 50 Jahren erlaubt

Im Fall Oer-Erkenschwick waren die Gebühren im Jahr 2017 nach Ansicht des Gerichts um 18 Prozent überhöht. Den kalkulatorischen Zinssatz hatten die NRW-Kommunen aus dem Durchschnitt der letzten 50 Jahre berechnet - dies ergab einen Satz von 6,52 %. Das Oberverwaltungsgericht hält hingegen einen zehnjährigen Durchschnitt für angemessen. Daraus ergäbe sich für das Jahr 2017 bei der von der Stadt Oer-Erkenschwick ansonsten gewählten Methode ein Zinssatz von 2,42 %.

Der Bund der Steuerzahler hatte die Klage unterstützt und kritisiert, dass Gewinne aus Abwassergebühren in NRW systematisch an die kommunalen Haushalte überführt wurden.

Die Richter wiesen auf die grundsätzliche Aufgabe der Gebührenfinanzierung in dem Bundesland  hin: "Die Gebühren dürfen nur erhoben werden, soweit sie zur stetigen Er­füllung der Aufgaben der Abwasserbeseitigung erforderlich sind. Der gleichzeitige Ansatz einer Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wiederbe­schaffungszeitwertes sowie einer kalkulatorischen Nominalverzinsung widerspricht diesem Kalkulationszweck, weil er einen doppelten Inflationsausgleich beinhaltet." Die dauerhafte Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung sicherzustellen - das sei laut Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen der Zweck der Gebührenkalkulation.

Nervosität in NRW-Kommunen

Der Steuerzahlerbund fordert nun Haushalte auf, ihre Gebühren zurückzufordern. Welche Folgen die Entscheidung für die Haushalte in NRW hat, wird derzeit laut Medienberichten in vielen Rathäusern diskutiert. Im Interview mit dem WDR sagte Philipp Stempel, Sprecher beim Städte- und Gemeindebund, es herrsche bei den Kommunen in NRW seit dem OVG-Urteil "Anspannung". Seit 1994 hätten die Kommunen sich bei ihren Gebührenabrechnungen auf das geltende Gesetz gestützt. "Jetzt muss vielleicht alles neu berechnet werden."

Aktenzeichen: 9 A 1019/20 (I. Instanz: VG Gelsenkirchen 13 K 4705/17)

Der RSV hatte sich bereits im vergangenen Jahr in einer Stellungnahme geäußert und auf den steigenden Sanierungsbedarf hingewiesen. Zugleich untersützt der RSV die zweckgebundene Nutzung der Gebühren. Hier geht es zur Stellungnahme.

Hier geht es zur Pressemitteilung des OVG Münster

Zur Internetseite des Bundes der Steuerzahler

 

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