Fragen und Antworten zu Renovierungsverfahren
Die Renovierung ist - neben der Reparatur und der Erneuerung - eine wichtige Unterkategorie der Sanierung. Deshalb wird hÀufig der Begriff Sanierung verwendet, wenn man eigentlich Renovierung meint. Worin besteht also der Unterschied? Renoviert wird wird Immer dann, wenn eine Reparatur von EinzelschÀden nicht ausreicht und die Erneuerung nicht in Frage kommt. Bekanntestes Renovierungsverfahren ist das vor Ort hÀrtende Schlauchlining.
In Deutschland wird nach aktuellen Erhebungen jede zweite Leitung repariert und jede vierte Leitung renoviert. Erneuert wird wird durch "offene Bauweise" nur noch 18,5 Prozent der Rohre, zum Beispiel, wenn ohnehin eine darĂŒber liegende StraĂe erneuert werden muss. Das Einsetzen von neuen Rohren geht ĂŒbrigens inzwischen auch "in geschlossener Bauweise" - dieser Anteil liegt bei knapp 6 Prozent. Mehr dazu hier.
Die gĂ€ngigste Methode in Deutschland ist das Schlauchlining. In der englischen Sprache wird es als CIPP bezeichnet. Die AbkĂŒrzung steht fĂŒr cured in place pipe, also vor Ort hĂ€rtendes Rohr. Das beschreibt sehr gut den Produktionsprozess unter der Erde: Ein mit flĂŒssigem Harz getrĂ€nkter Schlauch aus Glas- oder Synthesefasern wird in die beschĂ€digte Leitung eingezogen, aufgestellt und anschlieĂend zum Beispiel mit UV-Licht gehĂ€rtet. Innerhalb weniger Stunden ist auf diese Weise ein neues, tragfĂ€higes Rohr entstanden.Das Verfahren wurde erstmals im Jahr 1971 in London angewendet und gehört in Deutschland seit Jahrzehnten zu den gĂ€ngigen Methoden.
Im Gegensatz zur "offenen Bauweise", in der Rohre in einer gebaggerten Baugrube verlegt werden, werden in der "geschlossenen Bauweise" neue Rohre unterirdisch eingesetzt, ohne das Erdreich oder StraĂen aufzugraben. Beim so genannten "Schlauchlining" â oft als Inliner-Verfahren bezeichnet â entsteht ein neues Rohr im Rohr sogar erst unter der Erde.
Als Inliner werden Schuhe mit Rollen bezeichnet, mit denen sich Menschen fortbewegen. Und wer vom geplanten Weg abkommt, verfĂ€hrt sich schon mal. Scherz beiseite: Der Begriff wird hĂ€ufig - eigentlich nicht korrekt - synonym fĂŒr das "vor Ort hĂ€rtende Schlauchlining" oder sĂ€mtliche grabenlose Renovierungsmethoden verwendet.
WĂ€hrend fĂŒr die Reparatur aktuell durchschnittlich 82 ⏠pro Kanalmeter anfallen, schlĂ€gt die Renovierung durchschnittlich mit 438 ⏠je Kanalmeter zu Buche. Eine völlig andere GröĂenordnung erreicht die Erneuerung mit rund 1600 âŹ/m. Quelle: DWA
Das Schlauchlining ist die gĂ€ngigste Renovierungsmethode bei AbwasserkanĂ€len in Deutschland. Die Installation eines Schlauchliners ist vergleichbar mit einem Stent, der bei Herz-Operationen eingesetzt wird. Ein mit flĂŒssigem Spezialharz getrĂ€nkter Glasfaser- oder Gewebeschlauch wird unterirdisch in das Altrohr eingefĂŒhrt â beispielsweise mit einer Seilwinde, von einem Schacht zum anderen. Im Anschluss wird er mit Druckluft aufgestellt und an die Rohrwand gepresst. Mit UV-Licht, Warmwasser oder heiĂem Dampf wird das flĂŒssige Harz zu einem festen Kunststoff ausgehĂ€rtet. Es entsteht unter der Erde ein fertiges, tragendes neues Rohr.
Das Verfahren wird weltweit seit 50 Jahren genutzt. Man geht davon aus, dass die zu erwartende Nutzungsdauer aber deutlich darĂŒber liegt.
Ein solches, neu entstandenes Kunststoffrohr hat gegenĂŒber den bisher verbauten Beton- oder Steinzeugrohren unseres Kanalnetzes deutliche Vorteile: Zum Einen kommen Ă€uĂerst hochwertige ECR-Glasfasern und Harze zum Einsatz, die Ă€uĂerst widerstandsfĂ€hig sind. Zum Anderen gibt es keine Muffen oder VerbindungsstĂŒcke, die als neuralgische Punkte bei Kanalrohren gelten und durch Wurzelwerk und statische Belastung gelten.
Laut einer DWA-Umfrage ist das Schlauchlining das hÀufigste Verfahren bei Renovierungen. (Quelle: DWA)
Letzte Aktualisierung: 26.11.2020
GrundsĂ€tzlich ist die Renovation von Rohrleitungen an sich nachhaltig. Denn ein defektes Rohr wird erhalten und weitergenutzt - das Prinzip der Kreislaufwirtschaft wird also erfĂŒllt.
Dass bei der Rohrleitungssanierung Kunststoffe zum Einsatz kommen, hat mit der geforderten Nutzungsdauer, ZuverlĂ€ssigkeit und Sicherheit zu tun. GegenĂŒber anderen Rohrmaterialien haben Hochleistungskunststoffe viele Vorteile.
Generell handelt es sich bei den in der Sanierung verwendeten Harzen um chlorfreie (nicht halogenierte) Kohlenwasserstoffverbindungen. Bei vollstĂ€ndiger HĂ€rtung gehen sie keine Reaktionen mit der Umwelt ein, was standardmĂ€Ăig bei Sanierungsprojekten durch Laborproben ĂŒberprĂŒft wird. Die hohe erwartete Nutzungsdauer lĂ€sst die Recyclingfrage in den Hintergrund treten.
Und auch dass muss erwĂ€hnt werden: Wenn Schlauchliner irgendwann einmal entfernt oder ausgetauscht werden mĂŒssen, lassen sich thermisch recyclen. Der fĂŒr die Produktion eingesetzte Brennstoff wird damit wieder optimal verwertet.
Immer wieder werden Bedenken geĂ€uĂert, dass beim Schlauchlining schĂ€dliche Lösungsmittel zum Einsatz kommen. Bekannt ist das Styrol - ein Kohlenwasserstoff, der insbesondere fĂŒr die HĂ€rtungsreaktion von UP- und VE-Harzen verwendet wird. Der Stoff macht sich durch seinen intensiven Geruch schon in kleinsten Konzentrationen bermerkbar. In der KlĂ€ranlage wird er - sollte er nach einer Sanierung in geringen Konzentrationen auftauchen - durch Bakterien "vernascht". Was viele nicht wissen: Styrol ist ein Stoff, der auch in der Natur vorkommt. Mehr dazu in diesem Artikel.
Letzte Aktualisierung: 11.05.2021
Bei der HÀrtungsreaktion von Kunststoffen kommt oftmals Styrol zum Einsatz - dies ist auch bei vielen Alltagsprodukten der Fall. Der Stoff macht sich in der Reaktion - zum Beispiel im Schlauchlining - durch einen deutlichen Geruch bemerkbar. GrundsÀtzlich ist Styrol ein in der Natur vorkommender Stoff - mehr dazu in diesem Artikel.
Konkret wird Styrol als reaktives Lösungsmittel bei der Vernetzung von ungesĂ€ttigten Polyesterharzen (UP) sowie bei Vinylesterharzen (VE) verwendet. Durch die Reaktion entsteht zwischen dem Styrol-Momomer und dem UP- oder VE-Monomer eine Verbindung - ein Duromer. Dieses bildet dann im Schlauchlining zusammen mit dem TrĂ€germaterial die Basis fĂŒr ein statisch tragendes Bauprodukt mit den gewĂŒnschten mechanischen Eigenschaften.
Styrol ist seit vielen Jahrzehnten Bestandteil wissenschaftlicher arbeitsmedizinischer Untersuchungen - etwa bei Arbeitern in Werken, in denen Kunststoffprodukte hergestellt werden. Beim Menschen wird Styrol relativ schnell aus dem Körper ausgeschieden, hauptsĂ€chlich ĂŒber den Urin. Es gibt jedoch einige Hinweise auf eine geringe Biopersistenz im menschlichen Fettgewebe bei wiederholter tĂ€glicher Exposition. Aus Studien an MĂ€usen gibt es Hinweise darauf, dass Styrol auch nach einmaliger oder wiederholter Inhalationsexposition schnell aus dem Blut eliminiert wird. Quelle
Um auf jeden Fall jegliches Risiko auszuschlieĂen bestehen europaweit Grenzwerte fĂŒr die Exposition mit Styrol am Arbeitsplatz. Es gilt die Empfehlung, ein Einatmen von StyroldĂ€mpfen zu vermeiden. Die Grenzwerte, die fĂŒr die Exposition mit Styrol derzeit gelten, sind seit Jahren abgesenkt worden. Quelle
Der Reststyrolanteil lĂ€sst sich ĂŒber entsprechende Messungen an Baustellenproben im Labor ermitteln. In wieweit Reststyrolgehalte aus Sanierungsprojekten im Abwasser in der KlĂ€ranlage nachweisbar sind, ist derzeit nicht bekannt und könnte Bestandteil weiterer wissenschaftlicher Forschung sein.