RSV-News Entwässerung: 9 Lösungswege für die "Reine Privatsache"

Bei einem Erfahrungsaustausch diskutierten Experten über das Dauerbrenner-Thema.

Wie bekommt man undichte Zuleitungen und Fremdwassereinträge in den Griff? In deutschen Kommunen ist das seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner-Thema. Auf der Landkarte der Maßnahmen stellt sich Deutschland allerdings als bunter Flickenteppich dar: Die Lösungen reichen von intensiver Unterstützung der Privateigentümer durch Netzbetreiber, Fristen und Pflichten zum Dichtheitsnachweis, bis hin zur weitgehenden Ignoranz.

Wie geht man systematisch an das immer drängender werdende Problem heran, das auch langfristig Auswirkungen auf die Wasserversorgung hat? In einem Erfahrungsaustausch des RSV diskutierten Experten, Netzbetreiber und Verbandsvertreter über beispielhafte Lösungen, aktuelle Ansätze und den Erfolg bzw. Misserfolg bestehender Maßnahmen.

Dein Dach ist dicht, die Leitungen nicht? Private Verantwortung deutlich machen

Wenn es durchs Dach reinregnet, wird selbstverständlich repariert oder gleich ein neues eingedeckt. In diesem Fall beschwert sich keiner über die Kosten, weil man ja ein neues Dach bekommt. Bei der Grundstücksentwässerungsleitung sieht man den Schaden nicht - und natürlich macht es zunächst keinen Unterschied in der Wohnqualität – egal ob man die Leitungen saniert hat oder nicht. Hier muss das Verständnis erhöht werden”, erklärt Mario Brenner, Leiter des RSV-Arbeitskreises Grundstücksentwässerung. Mit der Broschüre “Reine Privatsache” betreibt der RSV hier Aufklärungsarbeit. Sie steht im Internet hier zum Download zur Verfügung.



Grundstücksentwässerungspass: Nachweis für Pflegezustand etablieren

Einen wichtigen Weg zu mehr Aufklärung bereitet die DWA gerade vor - den Grundstücksentwässerungspass. Mario Brenner, RSV-AK-Obmann und zugleich Mitglied des entsprechenden DWA-Ausschusses, kündigte die bevorstehende Veröffentlichung an. Ähnlich wie ein Energieausweis soll der Pass künftig eine Rolle beim Hausverkauf spielen, begleitet durch ein Handlungspapier. Der Pass wolle dazu beitragen, dass sich Käufer und Verkäufer über den Zustand der Entwässerungsleitungen austauschen. “Wenn das zum Standard im Verkaufsprozess würde, wären wir ein ganzes Stück weiter”, so Brenner.

Bürger und kommunale Entscheider aufklären

Auch wenn viele Grundstückseigentümer inzwischen wissen, was das Thema bedeutet, ist es für den Großteil der Bevölkerung schwierig, Sanierungsaufträge zu vergeben. Broschüren und Videos bringen das Thema Stück für Stück an die Bürger heran, auch mit Hilfe von Organisationen wie “Haus und Grund”. Julian Pflaum, der für das Bayerische Landesamt für Umwelt an einem Projekt zum Thema arbeitet, berichtet von “Schau auf die Rohre”. Das Projekt informiert bürgerfreundlich und verständlich über Abwasser, Transportleitungen und den hohen Sanierungsbedarf.

Hausbesitzern die Angst vor der Sanierung nehmen

Kleine Dimensionen und enge Bögen – natürlich lassen sich Anschlussleitungen auch über den klassischen Tiefbau erneuern. Was Grundstücksbesitzer vor allem fürchten: Die gepflasterte Einfahrt und der seit Jahren gewachsene Vorgarten müssen aufgerissen werden, um an die Leitungen heranzukommen. Die Kosten für die Sanierung mit neuen Rohren liegen auch deshalb üblicherweise erheblich über den Kosten einer grabenlosen Sanierung.

Etabliert hat sich deshalb seit vielen Jahren das Schlauchlining, oft auch als “Inliner-Verfahren” bezeichnet. Da es sich um ein neues, muffenfreies und tragfähiges Rohr im Rohr handelt, wird die technische Nutzungsdauer in den gängigen Regelwerken mit mindestens 50 Jahren veranschlagt. Der RSV setzt sich für das Bekanntwerden der Techniken sowie für hohe Qualitätsanforderungen ein.

Kassel, Schwanau, Troisdorf & Co: Bürger an die Hand nehmen

“So macht Kassel beim Bürger dicht” - unter diesem Motto beschreibt der RSV das Modell der hessischen Landeshauptstadt, in der sich der städtische Abwassernetzbetreiber mit seinem Knowhow für Grundstückseigentümern engagiert. Diese Modelle gibt es in ganz Deutschland.

Dass der Bürger selbst die Sanierung zahlt, stößt in der Regel auf eine Akzeptanz von 80 Prozent und mehr. “Viele sind am Ende froh, dass ihm geholfen wird – das ist die Erfahrung aus Kassel, die auch die Teilnehmer im RSV-Erfahrungsaustausch bestätigten. Doch für diese Aufgabe ist erhebliche Kommunikationsarbeit mit den einzelnen Betroffenen gefragt und somit viel Personaleinsatz.

Pflichten, Fristen, Gesetze? Lieber “kleine Brötchen backen” 

Laut Markus Dohmann von der Stadt Backnang muss vor allem eins im Blick bleiben: Die Machbarkeit. Landesweite Anordnungen, die die Kommunen zur Durchsetzung der Dichtheitsnachweise verpflichtet, seien derzeit zum Scheitern verurteilt. “Man kann so etwas in ein Gesetz hineinschreiben, doch es wird nichts passieren. Für kleine Kommunen ist es kaum leistbar - wir haben beispielsweise 193 km Hauptkanalisationsnetz. Nicht nur wir, sondern auch die Ingenieurbüros und Firmen haben derzeit Probleme, ausreichend Personal für diese Aufgabe zu bekommen. Auch daran scheitern solche Regelungen. Wichtiger sei es, kleinere Brötchen zu backen, wie zum Beispiel die Einbeziehung der Grundstücksentwässerungsanlagen im Zuge von Kanalerneuerungs- und Kanalrenovierungsmaßnahmen des öffentlichen Hauptkanals oder größeren Straßenbaumaßnahmen. So kann eine ganzheitliche und nachhaltige Sanierung der Kanalisation im bearbeiteten Bereich sichergestellt werden.“

In den kommunalen Modellen, bei denen der Netzbetreiber die Bürger an die Hand nimmt, ist das – allein aus praktischen Gründen – schon etabliert. “In Kassel werden die privaten Eigentümer dort mit ins Boot geholt, wenn auch der Hauptkanal in diesem Bereich saniert wird”, berichtet Reinhild Haacker. In einem Interview berichtet Mücahit Özgür von KASSEL WASSER über Einzelheiten.

Bundespolitik ins Boot holen

 

Mit den Anforderungen in den 16 Bundesländern und in vielen der mehr als 3000 Kommunen an den Betrieb von Grundstücksentwässerungsanlagen beschäftigt sich Andreas Schreiber, RSV-Beiratsvorsitzender, regelmäßig. Er ist bei der Deutschen Bahn AG mit zuständig für die immerhin rd. 5000 Kilometer Entwässerungsleitungen auf den Grundstücken der Deutschen Bahn AG in Deutschland. “Aus Sicht eines bundesweit tätigen Kanalnetzbetreibers sind bundeseinheitliche Regelungen wünschenswert, angefangen bei den Inspektionsintervallen bis hin zur Sanierung. Mit dem
technischen Regelwerk zu den einzelnen Sanierungsverfahren sind wir gut aufgestellt, nur fehlt es an der einheitlichen Anwendung.“

Wer ist für das Thema in der Bundespolitik zuständig? RSV-Geschäftsführerin Reinhild Haacker regte an, das neue Bundesbauministerium auf dieses Thema zu stoßen. “Man hat inzwischen erkannt, dass zur Schaffung von Wohnraum auch eine längere Nutzung bestehender Häuser gehören kann. Vielleicht ist es jetzt die richtige Gelegenheit, darauf hinzuweisen, den Zustand der Entwässerungsleitungen mit in den bundesweiten Fokus zu nehmen.”

Verfahren definieren und weiterentwickeln

Welche Sanierungsverfahren gibt es? Wie steht es um die Qualitätsanforderungen? Der RSV hat hierfür das Merkblatt 7.1, das derzeit aktualisiert wird. Die Auswahl der Sanierungstechniken, die über die für privaten Grund verpflichtete DIBt-Zulassung verfügen, ist groß. Dennoch ist noch Luft nach oben, findet Mario Brenner, der in NRW  ein Ingenieurbüro betreibt. Konkret fehle eine Auswahl zugelassener Techniken, bei denen vom Hauptkanal aus saniert werden kann.

Dr. Jürgen Alexander vom Systemanbieter Trelleborg Pipe Seals Duisburg erklärte, warum das Main-to-House-System im Ausland zwar angeboten wird, in Deutschland jedoch nicht. Alexander: “Die deutschen Anforderungen haben dazu geführt, dass es kaum Ausschreibungen gibt. Denn es werden bestimmte Platzverhältnisse und Arbeitsweisen verlangt, die eine besondere Herausforderung für die Technik bedeuten”.

Mehr Unternehmen besser qualifizieren

Eine weitere Frage stellte Julian Pflaum vom Bayerischen Landesamt für Umwelt in den Raum: Was würde passieren, wenn Kommunen und Bürger nur qualifizierte Betriebe beauftragen dürften, die etwa das Gütezeichen Kanalbau haben? Die Sorge, dass sich dann zu wenige Unternehmen auf dem Markt bewegen, konnte Andreas Haacker, RSV-Vorsitzender, zerstreuen. “Nur eine hohe Messlatte verbessert den Ruf der Technologien – und damit die Marktstellung der Unternehmen insgesamt. Unsere Anforderungen und Regelwerke sind eigentlich gut und umfangreich - sie müssen nur umgesetzt werden.”

Ein Problem sieht Haacker in der Ausstattung vieler kleiner Firmen, die neu am Markt sind und ausschließlich mit Reparaturverfahren arbeiten. “Wir sehen, dass sie nicht die Ausstattung für Schlauchliner haben, sondern nur für Kurzlinersysteme – und bieten Reparaturverfahren dem unwissenden Bürger dann als Sanierung an. Dass es einen erheblichen Unterschied in Bezug auf die technische Nutzungsdauer gibt, ist ihnen nicht bekannt – und zum Teil wissen auch die Firmen nicht, was sie tun.”

Zum Bild: Typische Schäden an privaten Rohrleitungen – die RSV-Grafik verdeutlicht die häufigsten Schadensbilder an Anschlussleitungen. Die Erklärungen sind auf der Informationsseite "Abwasserleitungen unter Haus und Grundstück" zu finden.

Bild: Adobe Stock/RSV

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