Branchen-News – Sanierung 2020-2030: Die Herausforderungen
10.05.2019 - Hochwertige Materialien, intelligente Verfahren, mehr Anwendungsmöglichkeiten: Vom Druckrohr bis zum Hausanschluss erlebt die Rohrleitungssanierung eine stetige Neu- und Weiterentwicklung von Technologien. Ein Streifzug durch aktuelle Sanierungstechnologien und Herausforderungen für die Zukunft.
Von Dipl.-Ing. Andreas Haacker
Vorstandsvorsitzender des Rohrleitungssanierungsverbandes (RSV e. V.)
Die Instandhaltung von unterirdischen Leitungssystemen gehört zu den wichtigen Aufgaben der kommenden Generationen – in Deutschland und weltweit. Die Sanierung spielt dabei eine wesentliche Rolle: Grabenlose Technologien haben sich bei kommunalen und privaten Auftraggebern etabliert. Der hohe Bedarf an Lösungen für besondere Querschnitte, spezielle Anwendungsfälle oder erhöhte Anforderungen befördert Innovationen in zahlreichen Bereichen.
Der Rohrleitungssanierungsverband (RSV e.V.) begleitet die Entwicklung in verschiedenen Arbeitskreisen mit der Erstellung und Aktualisierung von Merkblättern. Diese sind auf der Website des RSV kostenfrei abrufbar. Die im Folgenden genannten auszugsweisen Schwerpunkte werden in Vorträgen im Tagungsprogramm der RO-KA-TECH aufgegriffen.
Unterkonfektionierung / Überkonfektionierung: Wieviel Toleranz darf sein?
Grundsätzlich lässt sich feststellen: Die Qualitätsstandards in der Sanierung haben sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich den steigenden Anforderungen angepasst. Zugleich fließen Erfahrungswerte aus der Praxis in die Regelwerke ein, und sorgen dafür, dass die Systeme und Verfahren im Sinne einer stetigen Qualitätsverbesserung auf eine zunehmende Akzeptanz stoßen. Die mittlerweile standardmäßige Prüfung der vor Ort härtenden Produkte hat außerdem dazu geführt, dass jede Fehlerquelle und jede als Mangel ausgemachte Abweichung analysiert wird und für die künftige Vermeidung als qualitätsförderndes Beispiel gilt. Dabei ist längst nicht jede Abweichung auch gleich ein Fehler.
Abbildung: Schematische Darstellung des Harzaustritts bei starker Unterkonfektionierung(Foto: Siebert + Knipschild
Abbildung: Reinharzschichten im Labor (Foto: Siebert + Knipschild)
Abbildung: Wanddickenänderungen bei entsprechend großer Dehnung (Foto: Siebert + Knipschild)
Abbildung: Schematische Darstellung der axialen Dehnung. Der Liner unten zeigt eine Folge der Unterkonfektionierung bei nicht hinreichendem Form- und Kraftschluss. (Foto: Siebert + Knipschild)
Eine der großen aktuellen Herausforderungen liegt in der Frage, wie eine höhere Zuverlässigkeit in der Dimensionierung von Schlauchlinern erfolgen kann. Dieser Anspruch beginnt schon bei einer zuverlässigen Kalibrierung des Altrohres. Anders als bei grabenden Verfahren oder bei der Installation fester GFK-Lösungen weisen vor Ort entstehende Schlauchliner während der Aushärtung ein gewisses Dehnverhalten auf. Der in die Leitung eingebrachte getränkte Linerschlauch soll sich an die Altrohrwandung aufdehnen und hier sicher komprimieren, zudem sind Faltenbildungen zu vermeiden. In der Praxis werden die Schlauchliner in der Regel mit einem Untermaß von 3 bis 8 Prozent konfektioniert. Dieses Untermaß ist erforderlich, damit sich der Liner faltenfrei an die Rohrwandung anlegen kann und sich vollständig entfaltet und aufstellt. Ist das Untermaß größer als systemtechnisch erforderlich, so wird die Endwanddicke des Liners reduziert.
Folgen von Unterkonfektionierung
Die statischen Konsequenzen eines deutlichen Untermaßes über die vom Hersteller vorgegebene Grenze hinaus sind allerdings erhöhte Ringspaltmaße, die unter Umständen auch bei einer abschließenden Qualitätskontrolle nicht erfasst werden. Eine Unterkonfektionierung kann auch in anderer Hinsicht kritisch sein: Bei der Dehnung verdichten sich die Fasern und führen zu einer Verdrängung des Harzes, das die statisch tragende Wanddicke verringert, zugleich aber zu Reinharzschichten außerhalb des Laminates führt. Die Aushärtung dieser Reinharzschichten stellt sich bisweilen als schwierig dar. Aufgrund des fehlenden Widerlagers am Altrohr kann zudem die axiale Dehnung begünstigt werden.
Entsprechend dieser Thematik wird das aktualisierte Merkblatt des RSV konkrete Ausführungen zu Wanddicken, Reinharzschichten und Dimensionierung beinhalten. Sowohl eine aktualisierte Tabelle der Faltentypen als auch die Dimensionierungsthematik wird das neue Merkblatt RSV 1.1 „Renovierung von Entwässerungskanälen und -leitungen mit vor Ort härtendem Schlauchlining - Anforderungen, Gütesicherung und Prüfung" künftig aufgreifen.
Im Fokus: Druckschlauchliner
Der RSV arbeitet an einem Papier zur Renovierung von Abwasserdruckleitungen mit vor Ort härtendem Schlauchlining, das kurz vor der Veröffentlichung steht. Das Merkblatt 1.2 mit grundlegenden Informationen zu Anforderungen, Qualitätssicherung und Planung bei Druckschlauchlinern trägt dem wachsenden Bedarf Rechnung.
Die Sanierung von Abwasserdruckleitungen gerät zunehmend in den Fokus von Netzbetreibern. Havarien der vergangenen Jahre zeigen, dass die technische Nutzungsdauer vieler Leitungen erreicht ist oder in wenigen Jahren erreicht sein wird. Schadensbilder sind vor allem Innenkorrosion, Lochfraß, Risse und undichte Rohrverbindungen.
Die Hersteller von Schlauchlinern für Freigefälleleitungen konzentrieren sich seit einigen Jah-ren zunehmend auf das Spezialgebiet der Druckschlauchliner mit vor Ort härtenden Materia-lien. Doch es ist nicht damit getan, „einfach“ einen Schlauchliner für die Aufnahme von Innendruck zu konstruieren. Die betrieblichen Besonderheiten einer Druckleitung stellen hohe Ansprüche an das Gesamtsystem Druckschlauchliner:
Der Druckschlauchliner selbst muss als voll tragfähiger Liner (Klasse A gemäß DIN EN ISO 11295 [1]) nicht nur dem Betriebsdruck standhalten, sondern auch Druckschwan-kungen bis in den Unterdruckbereich (dynamische Belastung), die bei Druckstoßwellen auf-treten. Diese Wechselbelastung darf nicht zu einem vorzeitigen Versagen führen und muss in der Lebensdauerbetrachtung Berücksichtigung finden.
Abbildung: Beispiel für einen Schwingungsverlauf – Jedes System verhält sich anders; Frequenz, Amplitude und das Ausschwingen / Dämpfung sind systembedingt. (Foto: Hamburg Wasser)
Der Druckschlauchliner muss eine dauerhafte, sichere Einbindung in das vorhandene Netz ermöglichen und kann nicht alleine betrachtet werden, sondern stets als Gesamtsystem bestehend aus dem Druckschlauchliner und sämtlichen Anbindungen und Anschlüssen. Das Gesamtsystem, je nach Klassifizierung in Kombination mit dem Altrohr, muss den statischen und dynamischen Belastungen des Betriebes standhalten.
Wirtschaftlichkeit: Der Druckschlauchliner steht in einem anderen Wettbewerb als bei der Freigefälleleitung. Druckleitungen sind i.a. flach verlegt, was die Baukosten einer offenen Erneuerung senkt. Besteht die Möglichkeit einer alternativen Trasse, bietet die Erneuerung ferner den Vorteil, dass die alte Leitung während der Bauzeit in Betrieb bleiben kann.
Bei der Anwendung von Druckschlauchlinern bestehen aufgrund der hohen Anforderungen an das Endprodukt auch erhöhte Anforderungen an die Materialien (Harzsystem, Trägermaterial), die Anlagentechnik (Dosierung, Mischung, Imprägnierung, Einbau, Aushärtung), die Bauausführung sowie an die Eignungsprüfungen und Überwachung des Druckschlauchlinersystems. So ist die Fertigung des Liners umfangreich zu überwachen und zu dokumentieren. Die vollständige Aushärtung sollte während des Einbaus durch Messungen am Außenlaminat zwischen Liner und Altrohr nachgewiesen werden. Eine Materialanalyse an Baustellenproben ist selbstverständlich. Im Zuge der Eignungsprüfungen müssen die Druckschlauchliner mittels vielfältiger Kurz- und Langzeitinnendruck- und -biegeversuche ihre Eignung unter Beweis stellen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Systemnachweis Liner und Anbindungstechnik.
Abbildung: Systemprüfung für Druckschlauchliner (Foto: Siebert + Knipschild)
In den aktuell vorhandenen Regelwerken werden Werkstoffe und Verfahren berücksichtigt – etwa das Schlauchliningverfahren in der Normenreihe DIN EN ISO 11297 Teil 2 oder DVGW-Regelwerke zu den Gewebeschlauchverfahren – es fehlen jedoch Angaben zum System Druckschlauchliner inklusive Anbindungen und Anschlüssen in das Druckleitungsnetz. Auch die Anforderungen an die Eignungsprüfung und Qualitätssicherung sind nicht druckleitungsspezifisch geregelt. Der RSV hat sich zum Ziel gesetzt, mit dem RSV-Merkblatt 1.2 „Renovierung von Abwasserdruckleitungen mit vor Ort härtenden Druckschlauchlinern “ Regelungslücken zu schließen und praktische Hinweise für alle am Projekt Beteiligte zu geben – vom Linerhersteller über den Einbauer bis zum Planer und Auftraggeber.
Das Merkblatt stellt die unterschiedlichen Kategorien dar und erläutert Einsatzbereiche, technische Eigenschaften sowie Anforderungen an die Ausführung. Das Merkblatt erscheint in Kürze.
Sie möchten mehr erfahren? Delia Ewert und Dr. Susanne Leddig-Bahls und Delia Ewertberichten als Obfrauen des entsprechenden RSV-Arbeitskreises über den Stand der Dinge im RO-KA-TECH-Vortragsprogramm.
Hausanschluss-Sanierung: Reine Privatsache?
Anbieter von Hausanschluss-Sanierungen und ausführende Unternehmen registrieren derzeit eine Belebung des Marktes. Der jahrzehntelange Sanierungsstau macht sich nicht nur bei den Verantwortlichen auf privatem und gewerblichem Grund bemerkbar, sondern – in Form von Tagesbrüchen als Folge von undichten Leitungen – nach wie vor auch bei kommunalen Verantwortlichen. Anlass für den RSV-Arbeitskreis Grundstücksentwässerungsanlagen (GEA), jenseits von Prüfplichten und gesetzlichem Flickenteppich aus den Bundesländern, das Thema wieder nach vorn zu bringen und einen Überblick zu bieten. Unter dem Titel „Reine Privatsache?" wird in einer zwölfseitigen Broschüre in verständlicher Art und Weise unter anderem erklärt, warum kollabierende Entwässerungssysteme bei Starkregenereignissen auch auf das Konto von undichten Hausanschlüssen gehen. Antworten auf häufige Fragen hilfreiche Links und Checklisten werden im Service-Bereich auf der RSV-Website angeboten.
Auch technologisch tut sich eine Menge auf dem Markt. Neben den kalthärtenden Sanierungssystemen, die auch mit warmen Prozessen gehärtet werden können, finden nun die UV- und LED-Technologie Eingang in den Hausanschlussbereich. Eine Besonderheit ist, dass die UV-und LED-Systeme aufgrund der Lagerstabilität bereits werksseitig getränkt auf die Baustellen geliefert werden können.