RSV-News Stoffpreisgleitklausel: Empfehlung ist in Arbeit

Wie wendet man die Stoffpreisgleitklausel in der Kanalsanierung an? Der RSV arbeitet mit Experten an einer Lösung.

 ”Sichere Vergabe in Krisenzeiten” - unter diesem Titel engagiert sich der RSV derzeit dafür, dass öffentliche Vergaben angesichts der rapiden Preissteigerungen bei Rohstoffen und Energie in der Kanalsanierung nicht ins Stocken geraten. Ein Erfahrungsaustausch mit den Mitgliedern bildete den Startschuss, ein Webinar mit einem spezialisierten Anwalt sorgte für erste Anhaltspunkte.

Im Mittelpunkt des Webinars stand der jüngste Erlass des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB). Der dort gewählten Empfehlung, Preisgleitklauseln und nachträgliche Anpassungen zu ermöglichen, hatte sich der RSV in seiner Stellungnahme angeschlossen. ”Im Straßenbau und im Hochbau ist das Thema seit vielen Jahren gängige Praxis. Mit der Forderung in Richtung der öffentlichen Hand, Preisgleitklauseln auch in der Kanalsanierung zu ermöglichen, betreten wir in gewisser Weise absolutes Neuland”, erklärt RSV-Geschäftsführerin Reinhild Haacker.

Anwendung des Formblatts nicht 1:1 möglich

Bei näherer Betrachtung zeige sich allerdings: Ein Allheilmittel sind Preisgleitklauseln für die Kanalsanierung derzeit nicht - zumindest dann nicht, wenn man die Vorgaben aus dem Vergabehandbuch des Bundes 1:1 befolgen muss. Um eine Preisgleitklausel im Vergabeprozess bei starken Preisschwankungen anwenden zu können, muss im Formblatt eine GP-Nummer aus der amtlichen Statistik des Statistischen Bundesamts für den jeweils verwendeten Rohstoff bzw. für das Produkt angegeben werden - mitsamt des Indexwerts und Basispreises zum Zeitpunkt der Ausschreibung. Außerdem muss im Leistungsverzeichnis für jede Phase des Projekts die Menge der verwendeten Stoffe zum jeweiligen Bauabschnitt angegeben werden. Dies ist Sache des öffentlichen Auftraggebers und stellt diesen vor Schwierigkeiten.

”Eine GP-Nummer beispielsweise für Schlauchliner gibt es nicht - und eine solche in die offizielle Erzeugerpreisstatistik wirksam einzuführen, würde sehr lange dauern und ist aufgrund der verarbeiteten Menge nicht möglich”, erklärt RSV-Geschäftsführerin Reinhild Haacker, die aufgrund der Situation mehrere Gespräche mit dem Statistischen Bundesamt geführt hat. ”Wir gehören nun zu den Verbänden, die das Statistische Bundesamt künftig für die Anhörung in die Klassifikation aufnimmt, das ist schon mal ein Erfolg. Allerdings haben wir auch gelernt: Die Daten, die für die Erzeugerpreisstatistik erhoben werden, eignen sich nicht direkt für die akute Bewertung von Preisentwicklungen in unserem Bereich”. So erfolge alle fünf Jahre die Anpassung des Klassifikationskataloges - die derzeit angewendete Statistik stammt aus dem Jahr 2009. Zudem werden längst nicht alle Stoffe, die eine GP-Nummer haben, auch in der Erzeugerpreisstatistik aufgeführt. Der Warenkorb enthält insgesamt rund 1350 Positionen und ist mit europäischen und weltweiten Statistiken harmonisiert.

Vergabehandbuch für viele Netzbetreiber Pflicht

Der Erlass des Bundesministeriums gilt ausschließlich für Baumaßnahmen des Bundes. Für alle anderen ist die Anwendung freiwillig, wenngleich Bundesbauministerin Klara Geywitz unlängst die Empfehlung für die Anwendung durch Länder und Kommunen ausgesprochen hat. Bei Bundes-Baumaßnahmen wird die Nutzung des Formblatts 225 (Einbeziehung der Preisgleitklausel) vorgeschrieben. wenn und soweit zwischen Angebotsabgabe und Lieferung bzw. Fertigstellung ein Zeitraum von einem Monat liegt. In laufende Vergabeverfahren soll eine Preisgleitklausel nachträglich eingeführt werden. Nach Angebotseröffnung soll die eine Ausschreibung zurückversetzt werden und die Preisgleitklausel ist nachträglich einzubeziehen. Eine spontane Umfrage im Webinar zeigte: Das Vergabehandbuch des Bundes ist für die meisten der ausschreibenden Stellen aufgrund interner Vorgaben zwingend anzuwenden. ”Auftraggeber sind also an ein Regelwerk gebunden, das sich für die Kanalsanierung gar nicht anwenden lässt”, fasst Reinhild Haacker die Problematik zusammen. 

Gemeinsam mit Anwalt Robin Lorenz sowie mit Unterstützung von Mitgliedern erarbeitet der RSV-Vorstand derzeit eine Index-Empfehlung. "Der Index soll möglichst realistisch die tatsächlichen Preisentwicklungen bei Schlauchlinern abbilden und damit Sicherheit für Bieter und Ausschreibende bieten", so Reinhild Haacker. Neben Schlauchlinern gebe es auch einen Mangel an passenden GP-Nummern für Rohrelemente, Edelstahlmanschetten und anderen Kanalsanierungsmaterialien.

Experte: Formblätter 221 bis 223 sind keine Alternative

Mangels eindeutiger GP-Nummern werden immer wieder die Formblätter 221-223 des Vergabehandbuchs ins Gespräch gebracht, bei denen der Bieter seine Kalkulation mit vorbestimmten Zuschlägen versieht. Diese Blätter als Ersatz für den festzulegenden Basiswert 1 zu nutzen oder hierdurch die GP-Nummer zu ersetzen, sieht Rechtsanwalt Robin Lorenz aus zwei Gründen für problematisch. ”Der Basiswert 1 muss zum Zeitpunkt der Versendung der Vergabeunterlagen festgelegt werden, wie es die Richtlinie zu 225 in Ziffer 6.1.1. festlegt. Wenn man auf die Preise nach Formblatt 223 abstellt, eröffnet man nicht nur Spielräume für Spekulationen, sondern verzögert auch den Basiswert 1 um den Zeitraum der Angebotsfrist. Denn das Formblatt erhalten Sie erst mit Angebotsabgabe.” Außerdem würden Auftraggeber keinen einheitlichen Referenzwert erhalten, da das Formblatt 223 Ausdruck der Kalkulation eines jeden Bieters ist, die naturgemäß voneinander abweichen können. Mithin erhalten Sie je nach Angebot einen anderen Referenzwert. Auch dies halte ich für schwierig, da es ein objektiver Referenzwert sein soll.”

Alternative: Verhandlungsklauseln

Als Alternative stellt Rechtsanwalt Robin Lorenz von der Kanzlei CLP die Lösung vor, Verhandlungsklauseln in der Ausschreibung zu formulieren. Bei laufenden Verträgen sei es zudem ratsam, mit dem Auftragnehmer gemeinsam nach Lösungen zu suchen. ”Sprechen können die Parteien im Rahmen der Vertragsdurchführung immer, das setzt allerdings ein hohes Maß an Vertrauen voraus”, so Lorenz. Eine allgemeine Verhandlungsklausel abseits des Vergabehandbuchs kann den Parteien einen vertraglichen Anspruch verschaffen. Dies ist aber dann schwierig zu realisieren, wenn öffentliche Auftraggeber ausschließlich das Vergabehandbuch verwenden dürfen. Noch zu beobachten ist die Frage, wie sich Angebote entwickeln, wenn keinerlei Preisgleitklausel eingebunden wird.”

Starke Beteiligung im Webinar

Das Thema brennt derzeit vielen unter den Nägeln - das zeigte nicht nur die Teilnehmerzahl von 71 Zuhörern, sondern auch die rege Diskussion im Anschluss an die Veranstaltung. Das Feedback im Anschluss an die Veranstaltung war durchweg positiv - alle Teilnehmer der Umfrage gaben an, dass sie wieder an einem Webinar dieser Art teilnehmen würden. Eingeladen waren für diesen Termin ausschließlich Auftraggeber - also Netzbetreiber, Kommunalvertreter, Ingenieurbüros - eine Woche zuvor hatte es einen Termin für Mitglieder gegeben. "Wir bleiben dran und werden aktuelle Erkenntnisse unseren Mitgliedern und Netzbetreibern so schnell wie möglich zur Verfügung stellen", verspricht Reinhild Haacker. Anfang Mai werde ein gemeinsamer Erfahrungsaustausch für alle stattfinden - bis dahin soll eine Empehlung für Netzbetreiber auf dem Tisch liegen, mit dem die Stoffpreisgleitklausel angewendet werden kann.

Bildnachweis: Adobe Stock / megaflopp

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