RSV-News – Nachhaltigkeit? Das können wir konkret tun
Nachhaltiges Handeln - auch in der Kanalsanierung geht das. Nur wie? Der RSV hat sich dazu ein klares Bild verschafft und gibt erste Empfehlungen.
Die Agenda des RSV-Arbeitskreises Nachhaltigkeit
Der Arbeitskreis Nachhaltigkeit des Rohrleitungssanierungsverband e. V. setzt sich für die folgenden Maßnahmen ein:
- Die Aufmerksamkeit für die grabenlose Kanalsanierung als Umwelt-, Gesundheits- und Trinkwasserschutz stärken
- Die Investitionstätigkeit für den Werterhalt der Leitungs-Infrastruktur fördern
- Faktenbasierte Bewertungsmöglichkeiten für die Nachhaltigkeit in der Kanalsanierung schaffen
- In den direkten Dialog mit Verantwortlichen und Beteiligten treten
- Fragen zur Herstellung, Nutzungsdauer, Recycling und Entsorgung beantworten
- Soziale Aspekte als wichtigen Teil der Nachhaltigkeit berücksichtigen (z. B. Tariftreue, Arbeitsschutz)
- „Greenwashing“ durch klare Vorgaben vermeiden
Die ehrgeizigen Ziele
Im Jahr 2015 haben die Vereinten Nationen die Herausforderungen der Zukunft in 17 Nachhaltigkeitsziele aufgeteilt – diese werden oft verkürzt nur als „UN-Klimaziele“ beschrieben. Darin enthalten sind nicht nur ökologische Forderungen nach „Maßnahmen zum Klimaschutz“ oder „Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen“, sondern auch soziale Aspekte. Auf der Agenda bis 2030 stehen beispielsweise „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“ oder „Keine Armut“.
Die Europäische Union hat als Ziel ausgegeben, bis 2050 klimaneutral zu werden. Der „European Green Deal“ will dies unter anderem durch „Energie- und ressourcenschonendes Bauen“ und ein „Null-Schadstoff-Ziel“ erreichen.
Deutschland hat das Ziel der Klimaneutralität auf 2045 festgesetzt. Aktuell wird das hierfür aufgestellte Klimaschutzgesetz neu angefasst. Statt der Vorgaben zur Emissionsminderung in den einzelnen konkreten Sektoren (zum Beispiel Gebäude, Verkehr, Industrie), gilt künftig die Gesamteinsparung. Damit folgt Deutschland dem Beispiel anderer Länder wie Finnland und Schweden.
Öffentliche Ausschreibungen allgemein...
Nachhaltigkeitskriterien sind bereits vielfach Bestandteil von Ausschreibungen bei Bund, Ländern und Kommunen. Pflicht ist die Berücksichtigung von Umweltaspekten bei einigen Vergabeverfahren oberhalb des EU-Schwellenwerts – etwa bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen. Bundesbehörden müssen zudem ihre Ausschreibungen nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), dem Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) und der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima) verfassen.
Konkrete Möglichkeiten zum Verfassen von Ausschreibungstexten beschreibt das Umweltbundesamt in einem Rechtsgutachten. So können als Eignungskriterien für Bieter Nachweise gefordert werden, wie etwa das Umweltmanagementsystem EMAS. Auch sind konkrete Verweise auf technische Ausrüstung wie emissionsarme Geräte möglich, die bei der Leistungserbringung zum Einsatz kommen.
Die Vergabepraxis scheint jedoch das Fordern nachhaltigen Handelns in Ausschreibungen auszubremsen, nach dem Motto: „Aber wir müssen doch dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag geben!“ Bei der Zuschlagserteilung des „wirtschaftlichsten Angebots“ gelten längst umweltbezogene Kriterien. So können nach § 127 Abs. 1 GWB zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes neben dem Preis auch umweltbezogene Aspekte berücksichtigt werden. Nicht erlaubt ist das Eignungskriterium „Ortsansässigkeit“, da somit Bieter aus anderen EU-Mitgliedstaaten benachteiligt werden könnten.
… und in der Kanalsanierung?
Im Bereich Kanalsanierung spielt das Prinzip von ökologischen öffentlichen Ausschreibungen in Deutschland bisher kaum eine Rolle. Das insgesamt hohe Interesse seitens der Städte und Kommunen an der Arbeit im RSV-Arbeitskreis zeigt, dass der Bedarf groß ist. Eine einfache Antwort darauf, wie sich Nachhaltigkeit in Ausschreibungen von Kanalsanierungsprojekten darstellen lässt, gibt es aber noch nicht.
Allein auf Bescheinigungen und Zertifikate zu setzen, ist angesichts der fehlenden Vergleichbarkeit derzeit schwierig. Neben den unternehmensbezogenen Zertifikaten wie EMAS oder DIN ISO 14001 gibt es sogar bereits Umweltproduktdeklarationen (EPD = Environmental Product Declarations) für Kunststoffrohre oder Schlauchliningsysteme. Dass sie noch nicht flächendeckend eine Rolle bei Sanierungsprodukten spielen, mag gute Gründe haben. Denn: Die Erstellung solcher Dokumente unterliegt zwar einem genormten und abgesicherten Verfahren – allerdings scheint der Spielraum hoch zu sein. Einheitliche Produktkategorieregeln (PCR = Product Catogery Rules), die die Rahmenbedingungen für die Erstellung von EPD im Bereich erdverlegter Systeme festlegen, bestehen für erdverlegte Produkte in der Kanalsanierung bisher nicht.
Außerdem stellt sich durch die jeweils sehr individuelle Einbausituationen in der Kanalsanierung die Frage: Wie aussagekräftig kann ein Zertifikat überhaupt sein?
Werden pauschale Anforderungen in Ausschreibungen aufgenommen, könnten diese schnell in die falsche Richtung führen und zu Lasten der Ausführungsqualität und damit der Nutzungsdauer gehen. In Dänemark – Vorzeigeland in Sachen Nachhaltigkeit – war etwa zwischenzeitlich in Ausschreibungen die Forderung zu lesen, beim vor Ort härtenden Schlauchlining auf Styrol zu verzichten, ein für die Härtungsreaktion wesentlicher Zusatzstoff. Dies wurde inzwischen wieder korrigiert, da Ersatzstoffe bisher nicht die Eigenschaften von Styrol erreichen.
Sinnvoll erscheint hingegen ein verstärktes Augenmerk auf die Herstellungsqualität und den Ausführungserfolg bei vor Ort härtenden Systemen zu legen*
Vorfahrt für grabenlose Verfahren
Künftig ist denkbar, dass grabenlosen Renovierungs- und Erneuerungsverfahren aufgrund ihrer erheblich geringeren CO2-Belastung grundsätzlich der Vorzug gegeben wird. Denn: „Umweltfreundliche öffentliche Beschaffung ist ein Prozess, in dem öffentliche Beschaffungsstellen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge ausschreiben, die eine geringere Umweltbelastung aufweisen als vergleichbare Leistungen mit derselben Funktion“, heißt es im Rechtsgutachten des Umweltbundesamtes.
Was den Ausstoß von Kohlendioxid anbetrifft, haben grabenlose Verfahren im Vergleich zu offenen Bauweisen eine zum Teil erheblich geringere Emissionswirkung. Zur Errechnung jedes einzelnen Projekts hat hat die German Society for Trenchless Technology (GSTT) mit einem CO2-Rechner eine rechnerische Grundlage für ausschreibende Stellen geschaffen, um die Vergleichbarkeit zu ermöglichen.
Gemeinsam pragmatisch Ziele angehen
Die Betrachtung der Kohlendioxid-Emissionen ist aus Sicht des RSV-Arbeitskreises nur einer der vielen Punkte auf der Nachhaltigkeits-Agenda. Der Verband möchte sich in seiner Arbeit verstärkt für umsetzbare, wirkungsvolle und vernünftige Lösungen für die gesamten UN-Nachhaltigkeitsziele einsetzen - und zwar gemeinsam mit den Netzbetreibern und Vertretern von Kommunen.
Auch wenn der Klimawandel trotz der Anstrengungen aller nicht aufzuhalten ist: Dichte, funktionsfähige Kanäle sind elementar für ein gesundes Leben und eine saubere Umwelt.
Diese Erkenntnis erfordert keinerlei neue Regeln zur Nachhaltigkeit, sondern nur den Einsatz von gesundem Menschenverstand.
In einer früheren Version des Textes haben wir auf konkrete Forderungen in Leistungsverzeichnissen zu maximalen Reststyrolwerten verwiesen. Da eine ausführliche Erklärung vonnöten ist und die Konsequenzen bei Nichteinhaltung zu erörtern sind, haben wir diesen Teil wieder entfernt (18.10.2023)
Bildquelle Titelbild:Umwelttechnik Franz Janßen GmbH Rohr & Kanal