RSV-News – "Leitungen passivieren": Lösung für Sanierung von AZ-Rohren ist greifbar
In einem Interview nimmt der RSV-Vorsitzende Andreas Haacker Stellung zum Stand der Dinge in Sachen Sanierung von AZ-Rohren.
Wie sollte man aus Ihrer Sicht mit Asbestfaserzement-Rohren umgehen?
Asbest ist gesundheitsschädlich und der erste Gedanke ist: „AZ-Rohre sollte man tunlichst ausbauen und entsorgen.“ Wenn man sich damit aber länger beschäftigt, dann stellt man fest: Es handelt sich bei dem, was entsorgt werden muss, um ein riesiges Volumen - denn nicht nur das Rohr selbst, sondern in der Regel auch das umgebende Erdreich muss mit entsorgt werden. Der Bedarf an Deponieraum wäre gewaltig. Werden die Rohre ausgebaut, gibt es zudem große Aufwendungen, um zu vermeiden, dass Asbestfasern in die Atemluft und die Umgebung gelangen. Zu den hohen Ausbaukosten werden dann die Deponierungsgebühren kommen, die aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit und hoher Analyse-Anforderungen ohnehin schon hoch sind.
Ist die Instandsetzung denn nicht eine zu kurzfristige Lösung?
Die Politik macht Vorgaben, die zwar umweltpolitisch auf den ersten Blick wünschenswert erscheinen, aber in der Praxis nicht umsetzbar sind. Die Kommunen befinden sich am Ende der Kette und müssen auf der einen Seite die politischen Entscheidungen umsetzen, und auf der anderen Seite die gesetzliche Aufgabe finanzieren. Mindestens bei Netzbetreibern, bei denen AZ-Rohre im größeren Umfang verbaut wurden, ist die Finanzierbarkeit nicht absehbar. Angesichts knapper Kassen werden sie zur Handlungsunfähigkeit verdammt und die schadhaften Rohre bleiben auf unabsehbare Zeit in Betrieb - mit den entsprechenden Folgen für die Umwelt. Der RSV sagt eindeutig: Diese Handlungsunfähigkeit der Kommunen darf es nicht geben.
Auf der anderen Seite gibt es ja Lösungen, um der Gesundheitsgefahr durch schadhafte AZ-Rohrleitungen zu begegnen. Durch die Instandsetzung wird eine "Passivierung" der Asbestrohre erreicht - diese verbleiben dann zwar im Erdreich, stellen aber im Rahmen der Kanalunterhaltung und Abwasserbehandlung keine Gefährdung mehr dar. Beim Schlauchlining beispielsweise dient das Altrohr als Formgeber. Damit entsteht ein dauerhaftes Rohr im Rohr, das durch eine Trennschicht (Preliner / Außenfolie) keine Verbindung mit dem AZ-Rohr eingeht. Eine spätere Entfernung - inklusive Recycling - ist nach Ende der technischen Nutzungsdauer mit vergleichsweise geringem Aufwand möglich. Dieser Umstand ist vielen nicht bewusst.
Warum werden schadhafte Rohre nicht schon mit Schlauchlinern instand gesetzt?
Die Wahrheit ist: Die kontrollierte Renovierung ist - neben anderen Verfahren zur Instandhaltung - in der Praxis längst im Einsatz. Und zwar in vielen europäischen Ländern, in denen AZ-Rohre im Betrieb sind, auch in Deutschland. Es wird nur nicht offen kommuniziert. Überhaupt ist das Vorhandensein von AZ-Rohren im eigenen Netz im Allgemeinen nicht Bestandteil der aktiven Kommunikation von Netzbetreibern.
Was bisher für einen offenen Umgang mit dem Thema auch fehlte, ist die breite Akzeptanz von grabenlosen Sanierungsverfahren, die sich in der Praxis bei AZ-Rohren bereits bewährt haben. Sie haben oftmals im Einzelfall über entsprechende Messungen nachgewiesen, dass sich die Exposition von Fasern gemäß der TRGS 519 im zulässigen Rahmen hält. Jetzt geht es darum, bundesweit Anerkennungsverfahren anzustoßen - als Verband, der alle relevanten Systemhersteller und die meisten großen Sanierungsunternehmen vertritt.
Wir haben mit dem Schlauchlining als Verfahrensgruppe begonnen. Das Projekt läuft unter der Federführung von Daniel Korczinski vom Ingenieurbüro ISAS. Es gibt ein festgelegtes Prozedere für die Dokumentation der Arbeiten an Baustellen mit Messungen durch spezialisierte und akkreditierte Labore, die vorgenommen werden müssen. Wir haben jetzt ein erstes Bauprojekt gefunden, an dem wir Messungen planen und hoffen, dass wir im ersten Halbjahr 2022 die Anerkennung zum emissionsarmen Verfahren erreichen.
Mit der Anerkennung als emissionasarmes Verfahren wäre das Problem gelöst, oder?
Das wäre schön. Aber es gibt bei der ganzen Sache noch andere Facetten, die nicht außer Acht gelassen werden sollten. Denn selbst wenn arbeitsschutzrechtlich die Rahmenbedingungen durch weitere anerkannte emissionsarme Verfahren geklärt sind, heißt es noch nicht, dass für ein Sanierungsprojekt auch die Genehmigung durch die regionalen Behörden vorliegt. Die Hoheit bleibt immer noch beim jeweiligen Bundesland, doch wir hoffen, damit die Basis für die Akzeptanz zu schaffen.
Das klingt nicht nach einer einfachen Aufgabe. Auch der VSB hat einen Fachausschuss gegründet - warum arbeiten Sie nicht zusammen?
Es gibt mittlerweile mehrere Akteure aus verschiedenen Verbänden, die sich mit dem Thema beschäftigen und in technischer und politischer Hinsicht Lösungen suchen. Vor allem in Bayern, wo die Betroffenheit groß ist. Wir als technischer Verband, der Systemhersteller und ausführende Unternehmen vertritt, haben uns zunächst auf die technische Lösung konzentriert. Wir haben keinen klassischen Arbeitskreis gegründet, sondern ein Projekt gestartet zur konkreten Verfahrens-Anerkennung. Mit dem VSB-Fachausschuss Asbestzementrohre
befinden wir uns inzwischen im direkten Austausch, denn die Ingenieurbüros spielen im nächsten Schritt eine wichtige Rolle als Schnittstelle zwischen Netzbetreibern und Auftragnehmern. Es ist im Interesse aller Verbände, keine Konkurrenz entstehen zu lassen – denn es geht in erster Linie um die Sache.
Es gibt bei diesem Thema für alle relevanten Verbände - auch die der Kommunen - genug zu tun, denn die Lösung liegt auch mit anerkannten Verfahren nicht endgültig auf dem Tisch. Die politische Ebene, die europarechtliche Ebene, die abfallrechtliche Bewertung von Asbestfaserzement – das alles sind Bereiche, für die es starke Fürsprecher und eine clevere Kommunikation bedarf. Vor allem geht es darum, für eine langfristige Rechtssicherheit die Unterschiede zwischen erdverlegten AZ-Rohren im Gegensatz etwa zu asbesthaltigen Dämmstoffen im Hochbau zu berücksichtigen.
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Erfolgreiches Pilotprojekt: Bericht über AZ-Rohrsanierung in Bayern