Ausschreibung und Vergabe

Rechtliche Grundlagen zur produktneutralen Ausschreibung

Wie produktneutral müssen öffentliche Ausschreibungen sein? Ein Blick auf die rechtlichen Grundlagen.

Genauso wie im privaten Vertragsrecht gilt zunächst das Motto: "Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird". Auftraggeber verfügen nach geltender Rechtsprechung über die Beschaffungsautonomie:

Ausschreibung öffentlicher Bauleistungen

Detaillierte Anforderungen an öffentliche Ausschreibungen sind in der "Vergabe und Vertragsordnung für Bauleistungen" (VOB/A) geregelt. Die obersten Grundsätze:

Leitfabrikate

Wen ein Auftraggeber für leistungsfähig und zuverlässig hält, wird im Rahmen eines öffentlichen Bieterwettbewerbs ermittelt. Nicht selten begrenzt die Leistungsbeschreibung bereits die Zahl der Bieter von vornherein damit, dass klare Angaben zum verwendeten Vorprodukt gemacht werden – etwa durch die Forderung, dass bestimmte Materialien oder Verfahren bei der Herstellung des Produkts zum Einsatz kommen sollen.

Wird ein konkretes Produkt gewünscht, hat es die ausschreibende Stelle oftmals schwer, dies produktneutral zu formulieren. Vor allem dann, wenn es nur einen großen Anbieter gibt, dessen Produkt ein Alleinstellungsmerkmal hat. Bei solchen Leitfabrikaten gilt deshalb im Vergaberecht eine Ausnahme. So ist es mit dem Zusatz "oder gleichwertig" möglich, die Leistung zu beschreiben. "Das Risiko für den Bieter liegt dann darin, dass er die Gleichwertigkeit des von ihm angebotenen Alternativprodukts zum Leitprodukt nachzuweisen hat" (Quelle)

Auswirkungen auf die Leistungsbeschreibung

Nach geltender Rechtsmeinung folgt daraus die Forderung, "die Leistungsbeschreibung in einer Weise zu fassen, dass sie allen Unternehmen den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren gewährt". (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019, Verg 66 / 18)

Die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge sieht die Produktneutralität auch dann gefährdet, wenn mehrere Firmen begünstigt oder benachteiligt werden – mit einer Einschränkung.

Ausnahme durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt?

Der Auftragsgegenstand – die Sanierung eines Abwasserkanals  – wird in Deutschland durch Regelwerke und Merkblätter bestimmt. Werden in einer Ausschreibung bestimmte Produkte wegen ihrer Herstellungsart vom Bieterwettbewerb ausgeschlossen, ist zu hinterfragen, in wieweit zum Beispiel die Funktionsfähigkeit des sanierten Kanalrohrs im Ergebnis von der Auswahl des verwendeten Materials bzw. Herstellungsverfahrens abhängt. Ist anhand von Überwachungsmechanismen keine Unterscheidung belegbar, dürfte diese Ausnahme nicht gelten.

Autor: Reinhild Haacker, 18. Januar 2023. Angaben ohne Gewähr.

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