RSV-News AZ-Rohr-Antrag: Entscheidung steht noch aus

Der Antrag auf Anerkennung als emissionsarmes Verfahren nach TRGS 519 ist noch nicht „durch“.

Aktualisiert am 14. Juli: Die im Artikel erwähnte Abstimmung eines weiteren Gremiums wurde mangels Teilnehmerzahl vertagt. Wir halten Sie auf dem Laufenden

Mit Spannung warten Kommunen und Netzbetreiber auf die Entscheidung des Instituts für Arbeitsschutz (IFA) auf die Anerkennung des vor Ort härtenden Schlauchlinings als emissionsarmes Verfahren in Asbestzementrohren nach der Technischen Regel Gefahrstoffe (TRGS) 519. Doch grünes Licht gibt‘s noch nicht.

„Die Sitzung des entscheidenden Arbeitskreises beim IFA hat zwar im Juni stattgefunden und die Unterlagen wurden soweit anerkannt. Man will jedoch noch eine Stellungnahme eines weiteren Gremiums abwarten, das in der 28. Kalenderwoche zusammentreffen soll“, berichtet RSV-Geschäftsführerin Reinhild Haacker. Diese Entscheidung habe nichts mit den Inhalten des RSV-Antrags zu tun. Sie sei aber aus Sicht des IFA-Arbeitskreises offensichtlich notwendig, um sich in Bezug auf die Rechtmäßigkeit im Sinne der Gefahrstoffverordnung und der europäischen REACH-Verordnung abzusichern.

Warum die Anerkennung als emissionsarmes Verfahren wichtig ist

Die Entscheidung betrifft in Deutschland tausende Kilometer Asbestzementrohre, die unter der Erde liegen. Die Gesundheitsgefahr von Asbest ist nachgewiesenermaßen hoch, wenn es an der Oberfläche bearbeitet wird und in die Atemluft gelangt. Um Instandhaltungsarbeiten an asbesthaltigen Produkten vorzunehmen, müssen nach der TRGS 519 strenge Vorkehrungen getroffen und beispielsweise begleitende Messungen durchgeführt werden.

Anerkannte emissionsarme Verfahren sorgen hier für Erleichterung, weil sie die geringe Exposition von Fasern bereits in Baustellenmessungen nachgewiesen haben. Ein Verfahrenshandbuch sorgt für Klarheit in Sachen Sicherheitsvorkehrungen und für die korrekte Verfahrensdurchführung. Für Abwasserrohre befindet sich in der Liste der emissionsarmen Verfahren bisher nur das Berstverfahren,

Hoher Druck für Kommunen und Netzbetreiber

Das Bundesland Bayern hatte zuletzt im April bekannt gegeben, Inliner-Verfahren als Lösung zur Instandhaltung wieder zuzulassen, nachdem mehr als zwei Jahre lang keine Genehmigungen für Maßnahmen erteilt worden waren. Als Begründung für das Verbot hatte das Umweltministerium unter anderem das Fehlen emissionsarmer Verfahren genannt. „Wir haben uns – vor allem auf Druck der Kommunen – darum gekümmert. Wir haben durch Messungen nachgewiesen, dass das Schlauchlining als emissionsarmes Verfahren nach TRGS 519 geeignet ist und damit rechtssicher ausgeschrieben werden kann“, so Haacker.

Mittlerweile häufen sich in der Geschäftsstelle Anrufe und E-Mails von Netzbetreibern oder Ingenieurbüros, die im Auftrag von Kommunen an Ausschreibungen arbeiten – nicht nur aus Bayern. Haacker: "Netzbetreiber stehen vor einem Dilemma: Sie müssen Ihren Verpflichtungen nach dem Wasserhaushaltsgesetz nachkommen. Faktisch werden sie aber derzeit regelrecht daran gehindert. Weil sie befürchten, dass sie sich mit Instandhaltungen strafbar machen, verzichten inzwischen einige sogar auf die Reinigung und Inspektion ihrer Leitungen. Eine sehr bedenkliche Entwicklung."

Bayern kippt umstrittene Rechtsauffassung zur Nutzungsdauer

Warum in Deutschland über das Thema diskutiert wird, hat mit einem zwischenzeitlichen Verbot von Kanalsanierungsmaßnahmen im Freistaat Bayern zu tun. Das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hatte dies damit begründet, dass grabenlose Kanalsanierungsverfahren angeblich gegen die europäische REACH-Verordnung verstoßen. Diese untersage eine derartige Verlängerung der Nutzungsdauer von Produkten. Diese Rechtsauffassung war stets von Experten und Kommunalvertretern angezweifelt worden und wurde inzwischen auch durch das Land Bayern wieder zurückgenommen.

Unterirdisch verlegte Rohre müssen nach der aktuellen Ankündigung aus München nicht entsorgt werden, wenn sie noch ihrer Funktion als Rohr nachkommen. Somit sind grabenlose Verfahren auch im Sinne der Gefahrstoffverordnung anwendbar. "Der nicht mehr bestehende unmittelbare Kontakt zum zu transportierenden Medium (Abwasser/Wasser) führt nicht dazu, dass die Nutzungsdauer des AZ-Rohres als abgelaufen anzusehen ist", heißt es wörtlich in der Stellungnahme des Ministeriums. Allerdings gelte dies nicht für Verfahren mit großflächigen Verklebungen, da die spätere Entfernung von Asbestrohren möglich sein muss.

Internationale Entwicklungen - Vorbild Australien

Der Grund für den Bedarf von emissionsarmen Verfahren für Abwasserrohre in Deutschland liegt auch darin, dass es derzeit weltweit noch keine sichere Entsorgungsmöglichkeit von Asbest gibt. Deponien gelten laut einer EU-Einschätzung als "nicht praktikable Lösung". Die begrenzten Deponie-Kapazitäten in Deutschland stellen Kommunen vor zusätzliche große Herausforderungen, zumal die Rohre auf den Deponien meistens dort landen, wo sie herkommen: Unter der Erde. Das Zerkleinern von asbesthaltigen Abfällen ist darüber hinaus nicht zulässig.

Der Umgang mit Asbest in Bauteilen ist weltweit ein Thema, wenngleich weder die REACH-Verordnung noch die Gefahrstoffverordnung dfferenzieren, ob es sich um erdverlegte Bauteile handelt oder um Asbest im Hochbau.  „Australien hat meines Wissens als einziges Land der Welt eine nationale Richtlinie für den Umgang mit Asbestzementrohren. Und hier werden grabenlose Verfahren als Alternative zur Entsorgung aufgeführt“, so Reinhild Haacker.

In dem Land wurden mehr als 40.000 Kilometer Rohre aus Asbsetzement in Wasser- und Abwasserleitungen verbaut. Die "Asbestos Safety and Eradication Agency" hat im Jahr 2021 Leitlinien herausgegeben, wie mit Rohren umzugehen ist. Um die Risiken so gering wie möglich zu halten, wird ein systematischer Umgang aufgezeigt. Neben der Entfernung und Erneuerung wird das "By-passing" empfohlen (Paralleler Neubau einer Leitung, Belassen des Altrohres im Boden. Sofern diese Methoden nicht in Betracht kommen, wird das vor Ort härtende Schlauchlining oder das Lining mit eingezogenen Schläuchen empfohlen. Auch weitere Verfahren sollen in Betracht gezogen werden können.

Fragen und Antworten haben wir auf einer Sonderseite zusammengestellt.

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